In Japan sind V-Tuber (Virtual Tuber) bereits seit 2016 auf dem Markt und vor allem in den letzten beiden Jahren erfolgreicher als ihre „Kollegen“ aus Fleisch und Blut, die mittlerweile nicht mehr an die Abonnenten-Zahlen der virtuellen Avatare auf YouTube herankommen. Die Relevanz der V-Tuber beziffert YouTube in seiner aktuellen Erhebung „YouTube Culture & Trends“ mit mehr als 1,5 Milliarden gestreamten Stunden pro Monat und führt die Kunstfiguren als gesonderten Punkt auf. Doch können die virtuellen YouTuber 2021 auch in den USA, Europa und Deutschland durchstarten?

V-Tuber – eine neue Art von YouTube-Stars

Sie streamen Videospiele, veröffentlichen Musikvideos und chatten mit ihren Fans. Und erreichen damit jeden Tag Millionen von Abonnenten. V-Tuber sind Comic-Avatare, oftmals im japanischen Anime-Stil gezeichnet, die live im Netz streamen und dabei von echten Menschen synchronisiert werden.

Hinter den fiktiven Zeichentrick-Charakteren stehen oftmals professionelle Agenturen, die ihre Avatare von Schauspielerinnen, sog. „Voice Actresses“ synchronisieren lassen. Inzwischen werden besonders erfolgreiche V-Tuber bereits von mehreren Voice Actresses synchronisiert, um unterschiedliche Sprachen sprechen zu können und so auch neue Märkte besser zu bedienen.

 

Die Technik hinter den virtuellen Charakteren

Rein technisch betrachtet liegt die Einstiegshürde für V-Tuber nicht höher als beim Einrichten eines „normalen“ Let’s-Play-Kanals. Man benötigt nicht mehr als eine Webcam und eine (oftmals gratis verfügbare) App, mit der man sich in seinen Avatar verwandeln kann (z.B. VTubeStudio) – vorausgesetzt, man hat sich bereits ein Modell des Wunschcharakters anfertigen lassen und möchte nicht mehr als Schultern und Gesicht zeigen. Soll es jedoch ein animierter Ganzkörperavatar werden, fallen eine teure VR-Ausrüstung und die Anfertigung eines speziellen 3D-Modells an.

 

Die Erfolgsgeschichte startet in Japan

Die bekannteste und reichweitenstärkste V-Tuberin Kizuna AI feierte 2016 ihr Debut und hat inzwischen mehr als 4,4 Millionen Abonnenten auf YouTube und verzeichnet schon mal mehr als 15 Millionen Klicks auf einen ihrer Musikclips.

Kizuna AI. Quelle: YouTube

Hinter dem Avatar steht die Agentur Upd8, welche ein ganzes Produktions-Team für die Erstellung des Contents beschäftigt. Wie erst 2020 bekannt wurde, wird der Avatar die längste Zeit von der japanischen Synchronsprecherin Nozomi Kasuga gesprochen. Kizuna AI ist so erfolgreich, dass die Japan National Tourism Organization sie als Maskottchen für ihre globale Werbekampagne eingesetzt hat. Seit Mai 2020 hat sie zudem ihre persönliche Managementfirma.

Das dominanteste V-Tuber Netzwerk in Japan ist Hololive, welches 16 der 20 reichweitenstärksten V-Tuber-Kanäle betreibt. Noch deutlicher wird Hololives Dominanz im V-Tuber-Business, wenn man die „Superchat“-Einnahmen betrachtet: Acht von zehn Kanälen, die über Superchat die meisten Spendengelder eingesammelt haben, obliegen Hololive. Kiryu Coco, die in dieser Hinsicht erfolgreichste V-Tuberin, hat laut Playboard bereits mehr als eine Million US-Dollar von ihren Abonnenten als „Trinkgeld“ über diesen Weg eingesammelt. Das macht V-Tuber natürlich auch für YouTube selbst interessant und vor allem lukrativ, da die Plattform einen nicht unerheblichen Prozentsatz (bis zu 30%) der Einnahmen einbehält. Investoren haben in den letzten Monaten mehrere Millionen Dollar in Hololive gesteckt, um mit fünf neuen englischsprachigen V-Tubern über die Grenzen Japans hinaus weiter zu expandieren.

Entwicklung und Potentiale außerhalb Japans

Während japanische brands die V-Tuber längst als Werbe- und Markenbotschafter für sich entdeckt haben, gehen V-Tuber-Anbieter in Japan noch den Weg des geringsten Widerstands und exportieren ihre Charaktere nach China, ein Markt der Anime liebt, aber noch unterversorgt ist.

In den USA oder Europa hat man noch ein hartes Stück Arbeit vor sich, um V-Tube-Stars zu etablieren und für Unternehmen attraktiv zu machen. Das könnte vor allem an zwei Faktoren liegen. Erstens werden die Avatare in Japan oft auf nicht jugendfreien Portalen wie Porno-Plattformen oder Chaturbate platziert. Das steigert die Reichweiten und die größtenteils anonymen Streamer haben keinen Imageschaden oder Kontroversen zu befürchten. Ist ja schließlich alles nicht echt. Daneben gibt es auch direkt im Stream immer wieder teilweise wenig subtile sexuelle Anspielungen der V-Tuber – der Schritt von Anime zu Hentai scheint hier oftmals nicht sehr weit zu sein. Aus unternehmerischer Sicht ist ein solches Umfeld allerdings problematisch und in den meisten Fällen alles andere als „brandsafe“. Hier müsste also in Europa und den USA direkt entgegengesteuert werden. Hinzu kommt, dass ein wichtiger Faktor für den Erfolg der V-Tuber in Japan die dortige Beliebtheit dieser Popsubkultur ist. In Europa und Übersee hingegen basiert der Erfolg der „herkömmlichen“ Influencer und YouTuber noch stark auf deren Authentizität und Nahbarkeit, eben Persönlichkeiten von nebenan wie du und ich.

Allerdings steckt in eben dieser Nahbarkeit auch eine der großen Stärken der V-Tuber. „Was V-Tuber von normalen Anime-Charakteren unterscheidet, ist, dass man glauben kann, dass sie tatsächlich existieren“, so Takeshi Osaka, Gründer von Activ8 Inc., dem Unternehmen hinter Kinzuna AI. „Diese Präsenz ist ein wichtiger Teil dessen, was sie so attraktiv macht“ (Quelle: MA, THT, Kyodo).

Stell dir vor, du könntest deiner liebsten Zeichentrickfigur live dabei zusehen, wie sie singt, zockt oder mit anderen Charakteren interagiert – und dabei noch mit ihr chatten. Der Erfolg von interaktivem Livestreaming macht schließlich auch nicht vor Europa oder den USA halt.

Dementsprechend sind auch außerhalb Japans einige ambitionierte Agenturen entstanden. So zum Beispiel das Unternehmen VShojo, welches im November 2020 von einem Twitch-Mitgründer ins Leben gerufen wurde. Die in den USA ansässige Firma hat eine Gruppe von sieben englischsprachigen V-Tubern eingekauft, darunter auch die Figur „Projekt Melody“ mit bereits über 800.000 Abos bei Twitch und YouTube, weitere sollen 2021 folgen. Im Vergleich dazu existiert noch keine wirklich nennenswerte deutsche Szene – der erfolgreichste in Deutschland ansässige Charakter Mocca Liebeskind verbucht 13.000 Abonnenten und konzentriert sich auf englisch- und japanischsprachige Inhalte.

Unsere Prognose:

Die Inhalte müssen auf den westlich-europäischen Markt angepasst werden und von jeglicher Unseriösität befreit  werden. Was Japans Spielehersteller mit Pokémon oder Resident Evil bereits vor Jahren geschafft haben kann auch mit V-Tubern gelingen. Das Timing könnte kaum besser sein, da das öffentliche Leben in Zeiten einer weltweiten Pandemie auch in den kommenden Monaten immer mehr virtuell stattfinden muss. Warum sollen dann nicht auch virtuelle Charaktere zu einer echten Alternative zu Influencern aus Fleisch und Blut werden?

Die ANKOMM:

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